Der Anteil der Elektrofahrzeuge am Markt wächst. Dadurch steht natürlich auch eine wachsende Anzahl an Gebrauchtfahrzeugen zur Verfügung. Bei einem Auto mit Verbrennungsmotor ist bekannt, auf welche Dinge Sie als Käufer achten müssen. Doch wie sieht das bei einem E-Auto aus? Wir klären über die wichtigsten Daten auf, die Sie sich vor dem Kauf eines gebrauchten Kfz beschaffen sollten.
Faktoren beim Kauf eines E-Autos im Vergleich mit einem Verbrennungsmotor
Jedes Kfz besitzt Bauteile, die dem Verschleiß unterliegen. Manche müssen regelmäßig erneuert werden, bei anderen hingegen hängt die Lebensdauer stark von der Nutzung ab. Die Garantieversprechen der Hersteller sind meist beim Verbrenner und Elektroantrieb gleich. In den folgenden Abschnitten beleuchten wir die Komponenten des Elektroautos, die bei einem Verbrenner häufig verschleißen und beim Gebrauchtkauf besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Ladetechnologie
Dieser Punkt existiert nur beim E-Auto. Es gibt verschiedene Lademethoden, die sich stark in der Geschwindigkeit unterscheiden. Beachten Sie daher beim Elektroautokauf, dass das Fahrzeug über die Technologie verfügt, welche Sie später nutzen möchten. Die meistverwendeten Lademöglichkeiten, sortiert von langsam nach schnell, sind:
- AC-Ladung 1-phasig (Steckdose)
- AC-Ladung 3-phasig (z. B. Wallbox oder Ladesäule)
- DC-Ladung (Schnellladesäulen)
Räder, Reifen, Bremsen
Hier gibt es keine großen Veränderungen. Die Räder und alle Teile der Bremse funktionieren ähnlich wie bei einem Auto mit Benzin- oder Dieselmotor. Diese Teile sollten sie einer Prüfung unterziehen. Dazu zählen insbesondere:
- Reifen
- Felgen
- Bremsbeläge
- Bremsscheiben
- Bremssättel
- Bremsschläuche
Abgasnachbehandlung und Turbolader
Derartige Komponenten sind nicht mehr vorhanden. Da der Elektromotor keinen Kraftstoff verbrennt entfallen Tank, Abgasnachbehandlung, Auspuffanlage, Abgasrückführung, Turbolader und Lambdasonden.
Antriebsstrang, Lenkung und Federung
Der Antrieb der Räder und die Federung und Lenkung funktionieren bei allen Autos nahezu gleich. Diese Teile sollten beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs daher auf Verschleiß untersucht werden. Prüfen Sie nach Möglichkeit den Zustand von Teilen wie:
- Radlager
- Stoßdämpfer
- Querlenker
- Koppelstangen
- Stabilisator
- Fahrwerksfedern
- Spurstangen.
Motor
Der Elektromotor ist keine neue Erfindung und wird in seinem Grundprinzip schon seit dem 19 Jahrhundert eingesetzt. Dementsprechend gut entwickelt und langlebig ist die Technik. Der Motor selbst läuft verschleißarm, mit wenig Verlusten und die Leistung ist weniger drehzahlabhängig als beim Verbrenner. Er besitzt zudem deutlich weniger mechanische Teile, die mit der Zeit erneuert werden müssen. Der Motor selbst ist daher langlebig und stellt beim Kauf keinen großen Risikofaktor dar.
Getriebe und Kupplung
Hier spart das Elektrofahrzeug enorm ein. Das komplexe Getriebe, wie es bei einem Verbrennungsmotor benötigt wird, ist bei einem E-Auto nicht nötig. Der Elektromotor stellt seine Leistung in fast allen Drehzahlbereichen zur Verfügung und kommt in der Regel mit einem Ein-Gang-Getriebe aus. Das Getriebe hat lediglich die Aufgabe, die hohe Motordrehzahl in einen sinnvoll-nutzbaren Bereich zu drosseln. Eine Kupplung ist bei den meisten Fahrzeugen nicht verbaut. Dieser Verschleiß spielt daher nur eine untergeordnete Rolle.
Die Batterien
Hier lauert die größte Gefahr: Ein großer Preisfaktor und das Hauptrisiko bei einem E-Auto ist das Batteriepaket. Dieses kostet viele Tausend Euro, wenn es ersetzt werden muss. Beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs ist daher die größte Gefahr, dass die Batterie keine lange Lebensdauer mehr aufweist. Dies ist allerdings kein reines Glücksspiel, denn der Zustand der Batterie lässt sich anhand verschiedener Faktoren ermitteln.
Welche Faktoren wirken sich auf die Batterieleistung und Lebensdauer beim gebrauchten E-Auto aus?
Lebensdauer und Kapazität einer gebrauchten Batterie hängen von vielen Faktoren ab. Dazu gehören insbesondere:
- Alter und Laufzeit
- Ladezyklen
- Art der Ladung (DC-Schnellladung, Normale Steckdose,…)
- Lagerung bei Nichtbenutzung
- Tiefenentladung
Welche Rolle spielt das Alter einer Batterie für deren Leistung?
Das Alter spielt bei Akkus eine doppelte Rolle. Einmal ist da die Alterung der Materialien, auch wenn diese nur eine kleinere Rolle spielt. Ein hohes Alter erhöht allerdings die Gefahr, dass die Batterie einmal oder wiederholt einer falschen Behandlung unterzogen wurde.
Wird das Fahrzeug beispielsweise lange nicht genutzt, kann sich die Batterie vollständig entladen. Man spricht dann von einer Tiefenentladung. Bereits eine einzige Tiefenentladung reduziert die Lebensdauer der Batterie deutlich. Hier ist besondere Vorsicht geboten: Eine sinkende Kapazität durch Tiefenentladungen führt bei vielen Herstellern auch zum Ausschluss der Gewährleistung!
Warum sind die gefahrenen Kilometer eines E-Autos wichtig?
Die zurückgelegten Kilometer stehen im direkten Zusammenhang mit den Ladezyklen, und diese reduzieren die Kapazität der Batterie langfristig. Der am häufigsten genutzte Batterietyp, die Lithium-Ionen-Akkus, verkraften meist 1000 oder mehr Ladezyklen, bevor die Kapazität ernsthaft nachlässt. Sie können die Anzahl der Ladezyklen grob anhand der Kilometer des Fahrzeugs und der maximalen Reichweite hochrechnen. Dies ist allerdings nur eine Schätzung, denn Sie wissen ja nicht, wie weit der Akku während der Fahrten entladen wurde.
Was ist der SoH eines Akkus?
Der SoH ist der „State of health“, also frei übersetzt der Gesundheitszustand einer Batterie. Er gibt an, wie viel Prozent der ursprünglichen Leistung der Akku noch bereitstellt. Ein SoH von 100 % zeigt eine neue Batterie, bei einer gebrauchten Batterie fällt er niedriger aus.
Der Hersteller schreibt in seinen Garantiebedingungen genau vor, wie viel SoH der Akku nach einer bestimmten Zeit und Laufleistung noch besitzen muss. Ein häufiges Beispiel ist: 70 % Kapazität nach 160.000 km oder 8 Jahren. Wurde einer dieser Werte überschritten, ist der Hersteller zu keiner Gewährleistung mehr verpflichtet. Bedenken Sie diesen Fakt bei Ihrer Kaufentscheidung.
Wie finde ich raus, welche Reichweite ein gebrauchtes Elektroauto noch besitzt?
Dies ist leider nicht ganz so einfach. Vorort am Fahrzeug können Sie die Reichweite möglicherweise über die Anzeige im Bordcomputer einschätzen. Sofern die Batterie vollständig geladen ist, haben Sie hiermit einen Anhaltspunkt. Diese Anzeige ist aber in der Regel nicht sehr genau. Zusätzlich schwankt diese Anzeige stark je nach Fahrweise.
Eine sicherere Aussage erhalten Sie mit den Daten des Batteriemanagementsystems (BMS). Dieses erfasst und überwacht alle Daten zur Ladung und Entladung der Batterie. Ziel des Systems ist der langlebige Betrieb des Akkus, die Daten können aber von einer Autowerkstatt auch zur Diagnose eingesetzt werden. Fachleute können daraus beispielsweise die Kapazität und den Zustand der Batterie ermitteln.
So bekommen Sie eine gute Einschätzung, welche Lebensdauer dem Akku noch bleibt. Wenn Sie unsicher sind wegen des Batteriezustands, vereinbaren Sie mit dem Verkäufer, dass eine Werkstatt ein Protokoll der Daten aus dem BMS erstellt. Somit erhalten Sie eine technisch gestützte Einschätzung der Batteriekapazität.
F. Selleng wurde in Köthen (Anhalt) geboren. Als ausgebildeter Mechatroniker bei der Deutschen Bahn, arbeitete er dort in der Wartung und Instandhaltung von Schienen-Baufahrzeugen.
Nach einer Fortbildung zum Industriemeister Elektrotechnik wechselte er später in die Autoindustrie nach Leipzig. In den folgenden Jahren arbeitete er bei Porsche und BMW.
Seit dem Schuljahr 2016/17 ist er als Fachlehrer für Elektrotechnik an einer Berufsschule tätig. Im gleichen Zeitraum begann er, als freier Autor fachliche Texte und Ratgeber zu verfassen.